plan-943923_1280

Musikalische Entdeckerfreuden

Schirmherr: Marc-André Hamelin

Außergewöhnlich, interaktiv und informativ – das ist die Ausstellung „Faszination Klavierwelten – Jenseits des Mainstreams“, die von den Veranstaltern des  Festivals „Raritäten der Klaviermusik“ entwickelt worden ist.  Inhaltlich fokussiert sie auf ein Klavierrepertoire, das zwar kulturhistorisch bedeutsam, aber nach wie vor selten im Konzert zu hören ist. „Faszination Klavierwelten – Jenseits des Mainstreams“ ist als Wanderausstellung konzipiert und
ab November 2018 in verschiedenen Städten in Norddeutschland zu sehen!
Weitere Infos zur Ausstellungstour November 2018- Februar 2019

Tatwerk Ausstellungsgestaltung 1Die Besonderheit dieser Ausstellung ist ihre Architektur, die nicht aus Texttafeln und Vitrinen besteht, sondern aus einem 9 mal 4 Meter großen Raum, der in einem Foyer oder auch in einem separaten Ausstellungsraum aufgebaut werden kann. Farblich ist der Raum in Anlehnung an einen Konzertflügel schwarz-weiß gehalten. Die Außenwände sind mit Textinformationen, Fotos und QR-Codes bestückt und das Innere des Raumes bietet die Möglichkeit, Platz zu nehmen und ausgewählte Musikbeispiele zu hören. Alle Informationen werden auf Deutsch und Englisch (digital) vorgehalten.

Das Festival Raritäten der Klaviermusik und jetzt auch die interaktive Wanderausstellung „Faszination Klavierwelten –  Jenseits des Mainstreams“, haben ihren Ausgang in der Beobachtung genommen, dass das Konzert-Repertoire vieler heutiger – auch junger – Pianisten eher eng ist.  Es beginnt bei Bach, führt über Beethoven und Schubert (aber sehr viel weniger über Haydn und Mozart) zu Schumann, Liszt, Chopin und Brahms und endet in der Regel bei Debussy, Ravel und Prokofjew. So unbestritten es ist, dass es sich um einen Kanon von Meisterwerken handelt, so bedenklich sind die Folgen dieser Verengung. Denn dadurch droht ein Großteil der Klavierliteratur in Vergessenheit zu geraten, die seit der Erfindung des Hammerflügels zu Beginn des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des sogenannten „Goldenen Zeitalters“ des Klavierspiels vor dem Ersten Weltkrieg geschrieben wurde.

von hinten nach vorne: Tobias Grill, Daniel Finke, Peter Froundjian, Johanna Jürgensen, Wolfgang Rathert
von hinten nach vorne: Tobias Grill, Daniel Finke, Peter Froundjian, Johanna Jürgensen, Wolfgang Rathert

Es gilt, das Verständnis für die Musikkultur, die eine solche Fülle hervorbrachte und in der das Klavier zum Universalinstrument aufstieg, wiederzuerwecken. Wer macht sich den Ursprung einer so faszinierenden Gattung wie der Transkription im 19. Jahrhundert klar? Wer weiß, dass ein Großteil an Klaviermusik von „Komponisten-Pianisten“ stammt, für die das Schreiben und Aufführen von Musik – oft unter Einbeziehung der Improvisation – eine unzertrennbare Einheit bildete? Und wer macht sich bewusst, wie stark Klaviermusik durch nationale Schulen geprägt ist, die sich ebenfalls im 19. Jahrhundert herausbildeten und weit in die Moderne hineinwirkten? Und schließlich ist auch der intensive musikalische Transfer zwischen Europa und den USA (und später Lateinamerika) zu bedenken, der in Biographien und Kompositionen gleichermaßen seine Spuren hinterlassen hat.

Foto: Tatwerk
Foto: Tatwerk

In der Klaviermusik des 20. Jahrhunderts ist die Frage, welche Musik „diesseits“ oder „jenseits“ des Mainstreams anzusiedeln ist, sehr viel schwieriger geworden ist angesichts der Pluralität von Stilen und Sprachen und den vielen Überkreuzungen, die es auch im Schaffen eines einzelnen Komponisten gegeben hat. Es schält sich allerdings heraus, dass das Schicksal der sogenannten „Tonalität“ dabei eine wichtige, aber paradoxe Rolle gespielt hat. Denn mit der Wende zur Neuen Musik nach 1918 wurden gerade jene Komponisten, die an der traditionellen Dur/Moll-Tonalität festhielten oder sie weiterentwickelten, zu „Außenseitern“ erklärt, denen eine reaktionäre Gesinnung vorgeworfen wurde. Erst heute – nach der Ära der sogenannten Post-Moderne – sind wir offenbar wieder in der Lage, ästhetische und ideologische Urteile voneinander zu trennen und vorurteilsfrei auch jene Musik zu hören (und zu genießen), der einmal das Siegel des Veralteten oder Irrelevanten aufgedrückt wurde.

Texttafel
Texttafel

Unterstützt durch eine Medienstation mit Hörbeispielen und QR-Codes, die auf weiterführende Informationen im Netz verweisen, gibt die vorliegende Wanderausstellung auf 14 Themenfeldern einen Querschnitt durch die hier angedeutete Thematik. Sie widmet sich großen Einzelgängern, Außenseitern und Legenden der Klaviermusik seit dem 19. Jahrhundert wie Alkan, Godowsky, Medtner und Skrjabinn. Sie beleuchtet die Rolle nationaler Schulen in Spanien, Frankreich und Skandinavien, den Sonderfall der nordamerikanischen Musik, die verschüttete Wirkungsgeschichte einer österreichischen Moderne jenseits der Zweiten Wiener Schule und die lange Zeit unbekannte Tradition russischer Komponisten in der Nachfolge Skrjabins. Sie weist schließlich auf die Bedeutung der Transkription hin, die – allen Nachrufen zum Trotz – von erstaunlicher Lebendigkeit ist. Ein kurzes Resümee der Geschichte des Festivals „Raritäten der Klaviermusik vor Schloss Husum“ rundet die Ausstellung ab.

Kuratoren der Ausstellung sind Prof. Dr. Wolfgang Rathert und Peter Froundjian. Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Tobias Grill. Idee und Projektleitung: Johanna Jürgensen. Ausstellungsgestaltung: Tatwerk Berlin

Förderer sind ARTMENTOR_Logo_farbig (Hauptsponsor), die Landeskulturstiftung Schleswig-Holstein, die Landessparkassenstiftung und der Förderverein „Raritäten der Klaviermusik“. Partner sind die Ludwig-Maximilians-Universität in München, Danacord Records Kopenhagen und Deutschlandradio Kultur.

In einem aktuellen Interview in NDR Kultur.de spricht der Pianist und Kenner des Husumer Festivals Marc-Andre Hamelin über seine Affinität zu einem erweiterten Klavierrepertoire sowie über das Festival „Raritäten der Klaviermusik“. Lesen Sie das Interview hier.

 

 

Jenseits des Mainstreams